Sonntag, Dezember 26, 2004

Per son

Zu dem, was dem Ukrainischen Oppositionsführer widerfahren ist, sein, durch einen GiftAnschlag, entstelltes Gesicht, sagen EmotionsForscher: Nimmt man einem Menschen sein Gesicht, so nimmt man ihm eine wichtige Möglichkeit, zu wirken.

Das scheint richtig, denn das Gesicht ist die Kontaktstelle, mit der Menschen aus der anonymen Masse heraus Kontakt zu einander aufnehmen und es hilft auch bei der direkten Kommunikation den emotionalen Gehalt des verbal Gesagten besser einzuschätzen. Jedoch der Kern eines Menschen, seine Persönlichkeit, wirkt durch den Klang seiner Stimme. Per son = durch Klang. Die Stimme, ihr Klang, offenbart am unmittelbarsten die Persönlichkeit:

Die Stimme – sie kann säuseln und donnern, flöten und schmettern, sie kann schneiden wie Metall, klirren wie Glas und streicheln wie eine warme Hand. Die menschliche Stimme ist das stärkste, vielfältigste und wundersamste Instrument, das die Natur hervorgebracht hat. (Geo 12/98)

Die Stimme offenbart viel authentischer und direkter den inneren Zustand eines Menschen. Nimmt man einem Menschen seine Stimme, respektive verletzt sie durch Eingriffe in seine Gesundheit, so verletzt man damit auch grundlegend die Wirkung seiner Person auf seine Mitmenschen. Im schlimmsten Fall kann ein im Kern seiner Persönlichkeit getroffener Mensch mit seiner veränderten Stimme keine Empathie mehr bei seinen Mitmenschen hervorrufen, also keine Hilfe mehr mobilisieren.
Auch darum gibt es ja Institutionen und Gesetze: Um das, was den Mitmenschen an Mitgefühl und Empathie fehlt, auszugleichen durch sture Pflichterfüllung. Wenn aber auch Gesetze ignoriert werden und Institutionen versagen, dann ist der Mensch wirklich verloren.