Samstag, September 08, 2007

Sind Freiheit und Kapitalismus miteinander vereinbar?
Gesundheit bedeutet Freiheit, Krankheit bedeutet Abhängigkeit (und damit auch Manipulierbarkeit).
Ein Land, das seine Ärzte nur bezahlt, wenn Bürger krank sind, ist ein Land organisierter Unfreiheit.


Nur ein kleines Beispiel. Laut SPIEGEL ist die Zahl der Dialyse-Patienten in den letzten zehn Jahren um 50% gestiegen - von über 40 000 auf über 60 000 Patienten (Nebenbei: Job-Motor "Gesundheits"wesen). Laut einem zitierten Nierenexperten liessen sich viele der Dialysen und Nierentransplantationen um Jahre hinausschieben oder sogar ganz vermeiden, wenn die Schäden rechtzeitig entdeckt würden, woran es aber hapere. Selbst Internisten täten sich mit der Interpretation der Testergebnisse schwer. Zu Beginn eines schleichenden Nierenversagens gebe es noch gute Behandlungsmöglichkeiten, nur würden sie nicht genutzt.
Wer einmal in der Dialysefalle stecke, habe schlechte Aussichten, wieder lebend herauszukommen. Die Sterblichkeit unter den Blutwäschepatienten sei extrem hoch, die Lebensqualität eingeschränkt.
Weil sich mit der Nierenersatztherapie noch immer viel Geld verdienen lasse, sei es für niedergelassene Nephrologen oft wichtiger, Patienten für die Dialyse zu rekrutieren, als den Nierenexitus mit allen Mitteln abzuwenden.
Quelle: Spiegel 39/2007

Womit nebei deutlich wird, dass festangestellte Krankenhausärzte freier sind, sich am Wohl von Patienten zu orientieren, als niedergelassene Ärzte. Dieses sinnvolle Prinzip ist allerdings nur möglich bei staatlichen Krankenhäusern. Es liegt in der Natur der Sache, dass ein nicht-staatlicher Träger tendenziell noch andere Interessen hat, als die Gesundheit jener, die als kranke Menschen mit ihrer Chipkarte Geld ins Haus bringen.

Es geht nicht um ein Verbot, sich als Arzt frei unternehmerisch niederzulassen - im Gegenteil - es geht um echten Markt. Das Prinzip staatlicher Krankenhäuser müsste ausgebaut werden zu rund um die Uhr offenen kleinen Stadtteil-Ambulanzen, womöglich kleinen staatlichen Ärzte-Zentren bzw Praxisgemeinschaften angestellter Ärzte, mit beamten-ähnlicher Einkommens-Garantie. Wer sich hingegen als ärztlicher Einzelkämpfer unbedingt frei niederlassen will, der kann das ja tun - als Arzt für Privatpatienten und Barzahler. Wer als Patient die Gefahr liebt, geht dann eben zu diesen Ärzten, die nur mit Krankheit Geld verdienen.

Natürlich ist mit dem Prinzip staatlicher Krankenhausarzt nicht so ohne weiteres schon alles bestens für Patienten. Auch im Krankenhaus lauert für Patienten vielfach Gefahr. Zum einen weiss man nicht, was Ärzte jeweils im Hintergrund noch für Verträge, Verpflichtungen und Absprachen laufen haben, die sie zu kriminellen Tätigeiten am Patienten tendieren lassen. Auch können die Binnenverhältnisse am Arbeitsplatz Krankenhaus dazu führen, dass gute Ärzte gehen, während die gefährlichen und schlechten bleiben.

Klar ist darum, dass erstens für Ärzte ein spezielles Beamtenverhältnis geschaffen werden muss. Speziell, weil es nicht um Systemtreue gehen darf, weil das am Ende dazu führen wird, dass alte und andere Menschen sozialverträglich von Ärzten frühabgelebt werden, weil diese zu sehr die Kosten für ihren Arbeitgeber Staat im Blick haben. Vielmehr muss es um finanzielle Sicherheit bis ans Lebensende gehen, damit Ärzte wirklich frei sind, nur das zu tun, was sie ärztlich für richtig und gut für ihre Patienten halten.
Wer als Patient dennoch einen Interessenkonflikt befürchtet, kann dann ja stattdessen zu einem niedergelassenen Arzt gehen.
Vielleicht ist eine Zweiteilung der Ärzteschaft (in "sozialistisch", beamtenmässig finanzierte Krankenhausärzte, und in solche die freiberuflich tätig, also kapitalistisch finanziert sind) auch sinnvoll auf Patientenseite. Wer noch überwiegend gesund und vital ist, fährt besser beim Krankenhausarzt, weil der kein finanzielles Interesse daran hat, sich einen Patienten zu erschaffen. Wer hingegen chronisch krank oder alt ist, also wo die Gefahr besteht, dass Ärzte auf die Idee kommen könnten, einen Kostenfaktor "sozialverträglich" früh ableben zu lassen, der ist vielleicht bei einem niedergelassen Arzt besser aufgehoben, weil der kein finanzielles Interesse daran hat, eine "Chipkarte auf zwei Beinen" ins Jenseits zu befördern.
Die Krankenhausärzte müssten eingebettet sein in ein Bedingungs-System aus Weiterbildungs-, Supervisions- und Bewertungspflicht durch Patienten. Es müssen im Krankenhaus flachere Hierarchien aufgebaut werden, sowie ein auf Transparenz und Kritikfähigkeit aufgebautes System der gegenseitigen Begutachtung.